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D e s p i o n a
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Einwohner: |
2.300 |
Adelsfamilien: |
Oikaldiki, ai Makarios |
Garnisonen: |
10 Stadtbüttel, 1 Schwadron Erzherzöglich
Chababische Pikeniere |
Tempel: |
Efferd, Rahja, Horas, Aves |
»Despiona,
Despiona... was sollte ich von dieser Stadt erzählen? Wie sollte ich
es erzählen? Wo sollte ich beginnen? Bei dem, was war, oder dem, was
ist... Bei den Tempeln oder verrottete Ruinen? Mit dem Treiben der Zunftgassen
oder der Ruhe im Garten des Palastes? Soll ich vom sanften Plätschern
der Lagune sprechen, oder vom nagenden Tosen am Avesturm? Von den sumpfigen
Wellen des Desponflusses, von den kreischenden Möwen über dem
Lido, dem Ruderschlag der Galeeren im Hafen...? Freund, dies wird eine
lange Nacht... Also sprach der Gewährsmann, der uns die Kunde von
der Purpurstadt hinterbrachte. Despiona ist ein uralter Ort des Lebens,
von den Güldenländern weit ante Delatum Bosparani an der Mündung
des Despon geschaffen, dort also, wo das Wasser aus der Quelle von Gebein
und den Sümpfen von Eldoret sich anschickt, im großen Meer aufzugehen.
Vorher jedoch verharrt es noch die letzte ruhige Stunde in der Lagune von
Despiona, zwischen Ozean und Flüßchen als seichtes, weites,
glitzerndes Gewässer, warm, wenn man die Hand hineintaucht, gefährlich,
wenn man auf größeren Schiffen fährt, denn Sandbänke
lauern allerorten und sind schwer zu erkennen, so die Lagune von Seewind
oder Rondrawetter aufgewühlt ist. Meist indes gleitet der Blick ungehindert
durch den Wasserspiegel und wenige kristallklare Schritt bis auf den Grund
aus goldgelbem Sand, und da huschen vielerlei Fischlein und krabbeln Einsiedlerkrebse
und liegen bunte Muscheln herum, daß es dem Beschauer eine rechte
Freude ist. Die Fischersleute freilich, die allmorgendlich aufs Meer hinausfahren,
haben nicht allzuviel Auge und Sinn dafür, denn ihr Tagwerk wartet
nicht und will mit Fleiß vollbracht sein. Nicht selten schieben sich
zwischen die wahllos auf den wogenden Wellen der See verstreuten Fischerboote
ein ungleich größerer Rumpf, mit mächtigen Segeln darüber
gesetzt, denn zahlreiche Karracken, Schivonen, Karavellen, Triremen und
was der Arten mehr sind fahren an dieser Küste entlang, um auf dem
Weg von Mittag nach Mitternacht oder umgekehrt gewinnbringenden Handel
zu treiben, Glas aus Neetha und Belhanka, Weinamphoren aus Belhanka nach
Mengbilla, Seide aus Mengbilla nach Riva und Walbein aus Riva nach Al'Anfa
zu schiffen, und das eine oder andere Schiff legt auch im sicheren Hafen
von Despiona an. Gelegentlich schneiden andere Schiffe ihren Bug durch
die Wellen: Mit Söldnern, Ballisten und Hylailer Feuer beladen fahren
sie Richtung Süden, um die Kolonien des Reiches zu schützen und
Piraten Paroli zu bieten. Ob Krieg oder Frieden: Despiona fürchtet
beides nicht. Die Händler sind willkommen, wider fremde Flottillen
aber ist schnell eine Kette gezogen, Schleudergeschütze sind in Stellung
gebracht, aus Fässern würde sich Öl in die Lagune ergießen
und ihre stillen Wasser jäh in ein brüllendes Feuermeer verwandeln...
Darum naht sich Despiona in diesen Tagen nur, wer friedliche Absichten
hegt.
Dies ist es, was Ihr seht, so euch von
Norden her die See heranträgt: Euer Schiff fährt mit eine knappen
Meile Abstand zur Küste links, die sich immer wieder in weiten Bögen
und Buchten vor- und zurückwirft, goldene Strände, weiße
Salzfelder, staubiges Gelb und die Silhouetten von Akazien und Pinien dahinter
zu erahnen, zur Rechten blaugraue Unendlichkeit. Nun taucht langsam, doch
unaufhaltsam ein Bruch in der Linie der Küste auf, genau vor Euch,
der ihr am Vordersteven steht, wächst die Stadt aus dem Horizont:
eine schwarze Kulisse vor der Mittagssonne oder Formen und Körper
in Licht und Schatten des Morgens und Abends gewürfelt. Ihr seht die
grauen Mauern, die von Zyklopen vor langer Zeit aufgetürmt worden
sein sollen, den Kranz weißer Gischt, wo die See an den Grundfesten
der Stadt rüttelt und an das Mauerwerk schlägt, Ihr seht schäumende
Brandung in den überfluteten Ruinen des antiken Despotenpalastes wüten,
dahinter Türme und Masse der Citadella wuchtige Respekt fordern, nun
segelt das Schiff in sanftem Bogen um die ins Meer auskragende Stadt, überall
im Angesicht der Stadtmauer, von der ihr nicht sagen könnt,
ob zwischen ihren Schwalbenschwanzzinnen Dutzende Augenpaare Eurer Fahrt
folgen oder ob keine Menschenseele mehr Lebenshauch hinter den Mauern verströmt,
endlich tut sich eine Lücke, ein Tor auf: Direkt auf das Meer hinaus
geht es, eine riesenhafte Freitreppe führt da in Efferds Tiefen, zwischen
den Fugen ihrer Steinblöcke gurgelt Welle für Welle Wasser hervor.
Da streckt der Lido seinen sandigen Finger dem Ankömmling entgegen,
vorsichtig gleitet Euer Schiff zwischen dem schweigenden Doppelposten
steinerner Türme durch die Einfahrt der Lagune, fährt die verwitterten
Zinnreihen entlang auf die Hafeneinfahrt zu, rechts abermals von der Ebbe
freigegebene Mauerreste im brackigen Wasser, vor sich segnend die Elida-Halle,
gegen sich die schwache Strömung des Despon. Und nun dauert es nicht
mehr lange, bis Euer Fuß wieder Mutter Sumu unter sich fühlt.«
»Tractatio Eldoretis
- Eine getreuliche Beschreibung der Domäne Eldoret«, Gransignor
Ricardo ter Bredero ash Manek, 2510 Horas |
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