|
S i l a s
|
Einwohner: |
5.070 |
Adelsfamilien: |
v. Marvinko, della Pena, della Pena v.
Kullbach-Marvinko, Tellacelli v. Urbet-Marvinko, v. Silas, v. Silas-Tegalliani,
Marudret v. Rauhen Berg, di Tamarisco, della Turani |
Garnisonen: |
II. Herzöglich Methumisches Garderegiment
„Gräfin Tharinda", 3 Banner Gräfliche Hellebardiere, 20 Stadtgardisten
(davon 5 Marktwachen), 20 Kanalzollgardisten |
Tempel: |
Hesinde, Tsa, Ingerimm,
Peraine, Efferd |
»Die erste Erwähnung findet die
Gegend von Silas in einer Sage aus der Einwandererzeit: Damals soll der
heilige Geron an der Mardilo-Mündung bei Marvinko seine erste Große
Tat mit dem Götterschwert Siebenstreich vollbracht haben, indem er
hier die Große Schlange vom Sikram tötete - eine echsische Götzin
von unvorstellbarer Zaubermacht.
Einige Jahrhundert später wiederum
soll Hesinde in einem nahegelegenen Wäldchen einem jungen Baumeister
namens Ingalf erschienen sein und ihn mit dem notwendigen Wissen zum Deichbau
gesegnet haben, um die Region vor dem jährlich wiederkehrenden Frühlingshochwasser
zu schützen. Gleichsam gaben sich die Göttin und der Jüngling
der Legende nach in jenem Wäldchen der Lust hin und zeugten den Halbgott
Xeledon.
Wie es auch immer um diese legendären
Ereignisse bestellt sein mag, die ältesten Dokumente stammen aus dem
Jahre 161 v.BF., als Kaiser Brigon der kleinen "Siedlung an der Sikrambruck"
das Marktrecht einräumte und sich einen kleinen Palast errichten ließ.
Dessen Nachfolger Silem-Horas wählte
den strategisch und verkehrstechnisch günstigen Platz aus, um dort,
gleichermaßen weit von Kuslik und Bosparan entfernt, seinen Ruhesitz
erbauen zulassen. Damals entstand der fast 50000 Rechtschritt bedeckende
Silem-Horas-Palast, der mit seinen Wohngemächern (dem alten Bauwerk
Kaiser Brigons), einem Horas- und einem Hesindetempel, einer Garnison für
500 Leibwächter der Horasgarde und weithin ausgedehnten Bedienstetenquartieren,
Wirtschaftsflügeln und Stallungen eines der Wunder seiner Zeit gewesen
sein muß und als Zeichen der neuen Blüte unter den Kusliker
Kaisern galt - und mitsamt dem nahegelegenen Dorf Silemas wohl gerade
deshalb dem Ansturm der Garether zum Opfer fiel. Nur einige Teile des Hesinde-Tempels
und die gewaltigen Außenmauern überdauerten die Plünderung
und Zerstörung; und als der Protektor von Kuslik fünfzehn Jahre
darauf seinen Zensus durchführen ließ, lebten allenfalls noch
300 Flüchtlinge in den Ruinen der Palastanlage.
Damals war das Land am Sikram bereits
an Rondralia von Kullbach, die Erbin der Heiligen Lutisana, gegeben worden,
doch noch galt der Ort Marvinko als weit wichtiger denn die Ruinen des
Silem-Horas-Palastes; doch mit dem erneuten Aufstieg von Handel und Kultur
gewann auch der Übergang der Reichsstraße über den Sikram
schnell wieder an Bedeutung.
Da den herrschenden Garethern nichts daran
liegen konnte, die Erinnerung an einen alten Kaisers zu unterstützen,
und der neue Name "Sighelmsheim" schlicht nicht durchzusetzen war, wurde
schließlich der Ort, "den die Eynheym'schen Silemass oder Silass
benamen" unter dem letzten Namen zur Stadt und später gar zum Hauptort
der neuen Grafschaft Sikram erhoben, die in etwa das heutige Herzogtum
Methumis, die Kronmark Goldfelsen und die Domäne Urbet der Provinz
Arivor umfaßte.
Beinahe alle Grafen aus dem Hause Marvinko
werden in der Stadtchronik als gütige und großzügige Herrscher
beschrieben, was sicherlich nicht zuletzt auf die stets gut gefüllten
Steuertruhen zurückzuführen ist.
Besondere Erwähnung verdienen die
stets als die Gütige bezeichnete Gräfin Yandriga, die den Tsatempel
höchst großzügig unterstützte, aber auch ihre Nachfahrin
Tharinda, die das Vigilantenheer Bosparans führte und beinahe zur
Königin des Lieblichen Feldes geworden wäre. Doch ihr Tod in
der Schlacht und die anschließende Plünderung der Stadt durch
die Garether ließen alle Träume zerbrechen: Nach dem Kusliker
Frieden wurde die deutlich verkleinerte Grafschaft Teil des neuen Herzogtums
der Berlinghân in Methumis.
Seitdem müht sich Silas mit allen
Kräften, die Rolle der ruhigen, beschaulichen Stadt mit eher provinziellem
Anstrich abzustreifen, als die die Methumier sie gerne sehen - und Maßnahmen
wie der Bau des Kanals zum Onjet scheinen tatsächlich zu wirken.
Trotz aller Anstrengungen ist Silas heute
vor allem vom ländlichen Leben geprägt: Die meisten Bewohner
sind Handwerker und Bauern, moderne Manufakturen gibt es keine - denn das
weiß der durch Goldschmiedehandwerk und Bergbau einflußreiche
Ingerimmkult schon zu verhindern.
Immerhin bringen aber die auf der Horasstraße
transportierten Güter und durchreisenden Händler einiges Silber
in die Stadt, die sich zudem als eines der größten Pilgerziele
der Tsa-Kirche bezeichnen kann - nur gehören im Lieblichen Feld die
Anhänger der Jungen Göttin zu den ärmsten ...
Die derzeitige Regentin Irionya setzt
die Tradition des Grafengeschlechts ganz im Geiste ihres verstorbenen Gemahls
fort. Während der eigentliche Titelträger, ihr ältester
Sohn Croenar von Marvinko, fast ausschließlich in politischen Angelegenheiten
unterwegs ist, wacht Irionya trotz ihres fortgeschrittenen Alters mild
und umsichtig über die Geschicke der Stadt; unterstützt durch
den Rat ihres zweiten Sohnes Abelmir, der dem Hesindetempel vorsteht. Die
Gräfin selber ist, wenn auch keiner Gottheit im Besonderen zugetan,
streng gläubig und unterstützt die fünf Gotteshäuser
gleichermaßen.
Ein besonderes Problem entsteht dadurch,
daß die Tempel der Stadt gleich zwei umstürzlerischen Sekten
als Stützpunkt dienen: Der Tsa-Kult weigert sich strikt, etwas gegen
die (nichtgeweihten) Prediger von Umsturz und Wandel zu unternehmen, die
immer wieder die Arivorer Fronbauern aufstacheln - und jedermann glaubt
zu wissen, daß die manufakturfeindlichen "Schnitter" bei den Ingerimmgeweihten
und -gläubigen immer einen Unterschlupf finden, wenn Not am Mann ist...
Der einstige Silem-Horas-Palast prägt
auch heute noch die Gestalt der Stadt: Nach über tausend Jahren füllt
Silas noch nicht wieder die wehrhaften Außenmauern der ehemals prachtvollen
Anlage aus. Doch anders als etwa die Bunten Mauern von Methumis wurden
die Wälle der Stadt bislang nicht wiederhergestellt - die einzigen
Versuche in den letzten Jahrhunderten hatten auch nie mehr als das Ziel,
die Wehrhaftigkeit der Stadt zu erhöhen.
In Silas sind nur relativ wenige Bauwerke
aus der Bosparaner Zeit stehengeblieben - dazu zählt der Tempel der
Wahren Schlange, der auch Teile der einstigen Palastbibliothek umfaßt
und die einzige größere Xeledonstatue des Horasreiches, wenn
nicht Aventuriens besitzt.
Schon von Silem-Horas selbst begründet,
überstanden Kultstätte und Bibliothek die Plünderung bemerkenswert
gut: Seit jeher gilt Hesinde als besondere Freundin der Stadt, und der
Volksmund behauptet gar, die Göttin selbst habe ihr Heiligtum mit
einer schützenden Illusion umgeben, so daß es den Garethern
überhaupt nicht auffiel.
Heute ist der Tempel nach der Kusliker
Halle die wichtigste Kultstätte des Horasreiches - und hier residiert
auch der Erzwissensbewahrer, ein Amt, das seit so vielen Jahren von Mitgliedern
des Hauses Marvinko bekleidet wird, daß es fast erblich geworden
ist. Seine Eminenz Abelmir ist damit nicht nur Mitglied des Hohen Schlangenrates
und Aufseher der Tempel und Schreine von Grangor bis Drôl, sondern
auch Kronsekretär für Volksbildung und noch manches mehr - doch
keine dieser gewaltigen Aufgaben scheint spürbar an den Kräften
des arbeitswütigen Mannes zu zehren.
Zu seinen minder großen Pflichten
zählt dabei das des Obersten Kustos der Stadt Silas, als der er für
die Bewahrung der immer wieder zutage tretenden Überreste der Vergangenheit
zuständig ist: Mal findet ein spielendes Kind bunte Tonscherben aus
der Palastzeit, mal reißt ein schwerer Karren die Lehmdecke der Straße
so sehr auf, daß ein vollständiges Mosaik zu Tage tritt - und
man kann nur vermuten, durch wessen Hofadligen Schlafgemach zu Silem-Horas
Zeiten heute eine Gasse verläuft. Erst vor wenigen Jahren gelang es,
die alte Viehtränke am Schafmarkt nach gründlicher Säuberung
als das reich mit glasierten Kacheln geschmückte Badebecken der Obra-Horas-Thermen
zu identifizieren.
Ein Gebäude gibt den Gelehrten nach
wie vor Rätsel auf: die auf einer Anhöhe im Ostteil der Stadt
gelegene trutzige, schwarze Basaltburg, die sich nicht recht in das Bild
der übrigen Stadt einfügen will. Der einstige Sitz der ersten
Landgrafen zeichnet sich düster und monströs vor den satten Feldern,
Weiden und bewaldeten Hängen der Goldfelsen ab.
Die Überlieferungen um die Basalttrutz
bezeugen das hohe Alter der Festung: Schon Kaiser Silem-Horas soll das
seinerzeit ungenutzte und seit Jahrhunderten völlig leerstehende,
aber recht gut erhaltene Bauwerk vorgefunden und mehr aus Notwendigkeit
als Überzeugung denn aus Überzeugung als Garnisonsbau in seinen
Palast integriert haben.
Weder über die Entstehung der Feste,
noch über ihre frühere Verwendung gibt es jedoch irgendwelche
Überlieferungen oder Dokumente, Geschichtskundler haben dem Basaltmonument
daher bereits die abenteuerlichsten Historien angedichtet.
Sicher ist nur, daß schon zur Rohalszeit
die Grafen zugunsten ihres neuen Palastes den düsteren Bau verließen,
der heute wiederum als Garnison der drei Banner dient, die die Stadt bewachen.
Insbesondere für die Goldschmiedekunst
ist die Stadt weit über ihre Grenzen und die des Lieblichen Feldes
hinaus berühmt geworden: Die Tradition dieses Handwerks wurde vor
mehr als tausend Jahren begründet, als sich Zwerge aus den Goldfelsen
in der Stadt niederließen und einen Ingerimmtempel weihten. Heute
wird gar die bedeutendste Schmiede der Stadt, "Radox und Dollberg", gemeinsam
von einem Zwerg und einem Menschen geleitet. Etliche Schmuckstücke
in bedeutenden Häusern und Tempelheiligtümer in ganz Aventurien
stammen aus einer der neun Goldschmieden der Stadt Silas. Von der Blüte
des Handwerks profitiert nicht zuletzt der Ingerimmtempel, der als eines
der reichsten Gotteshäuser Aventuriens gilt - nicht zuletzt dank der
Abgaben der nahegelegenen Goldminen.
Der Eidechsengarten der Tsa wurde im Jahre
1972 Horas dank einer großzügigen Spende Gräfin Yandriga
errichtet: Zum Dank für die glückliche Geburt einer Tochter unterstützte
sie den örtlichen Tsatempel mit 3000 Dukaten, um die Anlage eines
großflächigen Gartens zu ermöglichen und eine Expedition
in den Süden auszurüsten. Eine unglaubliche Anzahl verschiedener
Eidechsengarten, viele davon auf jener Reise erstmals entdeckt, werden
seither im Garten des Tsatempels gehalten und gezüchtet.
Im Laufe der Zeit wurden weitere Arten
zumeist von weitgereisten Anhängern der jungen Göttin mitgebracht.
Der Tempel ist durch diese Eidechsensammlung so berühmt geworden,
daß Silas sich zu einer Pilgerstätte für die Tsa-Geweihtenschaft
Aventuriens entwickelt hat.
In diesen Tagen wurde auch direkt am Efferdtempel
ein neues Hafenbecken errichtet - denn dem Flußhafen kommt eine immer
größere Bedeutung zu, seit der König-Therengar-Kanal der
Stadt neue Verkehrswege erschlossen hat. Über Sikram und Onjet besteht
nun eine Verbindung zur Hafenstadt Methumis, die selbst schweren Lastkähnen
den direkten Transport von Waren zwischen den beiden Städten ermöglicht.«
»Das Reich des
Horas«, Gesamtwerk über das Liebliche Feld und die angrenzenden
Provinzen, Staats-Procuratur zu Vinsalt, 2513 Horas |
|